„Miteinander erzählen“ beim Leseförderkongress

Zum vierten Mal trafen sich im Haus der Bücherpiraten e.V. in Lübeck Engagierte aus Verlagen, Kulturhäusern, Bibliotheken, Wissenschaft, Literaturpädagogik, Buchhandel, Schulen und Kitas zum Norddeutschen Leseförderkongress. Bei einem reich gefüllten dreitägigen Vortrags- und Workshop-Programm wurde das Kongressthema „Miteinander erzählen“ aus verschiedenen Blickwinkeln ausgelotet.
Politische und gesellschaftliche Fragen zur Zukunftsgestaltung wurden dabei immer wieder in Beziehung gesetzt zu verschiedenen Formen und Perspektiven des Erzählens.
Das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein förderte in diesem Jahr die Teilnahme von 30 Bibliotheksmitarbeiter*innen.
„Populismus und die damit einhergehende Polarisierung der Gesellschaft reduziert das Denken und Handeln auf eine einzige Perspektive, die einfache Lösungen verspricht. Demokratie braucht jedoch Wir-Perspektiven: unsere Gesellschaft lebt durch Vielfalt und Zusammenarbeit.Bücherpiraten e.V.
Deswegen brauchen wir keine Erzählungen des Gegeneinanders und keine weiteren Held*innengeschichten mehr. Um eine inklusive Gesellschaft zu leben, brauchen wir Erzählungen des Miteinanders, in denen alle gemeinsam ihre Geschichten erzählen können.“
Begleitet von diesem Ausgangsgedanken stellte sich im Verlauf des Kongresses in zahlreichen Workshops, Diskussionen und Vorträgen u.a. die Frage, wie sich für und mit Kindern und Jugendlichen Räume für ein solches Miteinander schaffen und gestalten lassen. Auch galt es dabei zu realisieren, dass zur Wir-Perspektive eine kritische und fragende Haltung zur Bestimmung des Wirs gehört. Wer sind und was ist mit den anderen, die möglicherweise nicht zum Wir gezählt werden?
Der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Jan Skudlarek (Philosoph, Publizist und Professor für Soziale Arbeit an der Medical School Berlin, u.a. Autor des 2023 erschienen Buches „Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht. Streitschrift für ein neues Wir“) mit dem Titel „Sind wir Helden? Gemeinsam unterwegs, jede(r) für sich“ tauchte in Beispiele von individueller Dominanz und Heldeninszenierungen der Internet-Meme-Kultur ein. Die deutlich schwieriger erzählbare kollektive Wir-Ebene muss laut Skudlarek möglicherweise einfach nur neu gelernt werden.
Bärbel Dorweiler, seit 2014 Verlegerin beim Thienemann Verlag in Stuttgart, sprach über die Neuauflage von Klassikern wie „Jim Knopf“ und wie der Verlag mit problematischen Inhalten umgeht. Der Verlag versucht viele Stimmen zu hören und sensibel mit der Problematik umzugehen. Doch ein Patentrezept gibt es hier nicht, außer den kontinuierlichen Austausch, um alle mitzudenken.
Maria Odoevskaya (Autorin, Spoken Word-Performerin und freie Leiterin von Workshops für Poetry Slam sowie Kreatives Schreiben) lieferte eine Spoken-Word-Performance, die die Teilnehmenden sprachlos machte. Eine sehr kraftvolle und Mut gebende Performance, welche Selbstwirksamkeit und Selbstermächtigung proklamierte.
https://buecherpiraten.de/de/termindetailseite/das-wir-in-der-gesellschaft-maria-odoevskaya-7029
Die Jugendbuchautorin Kathrin Schrocke erläuterte wie sie sich als „weiße Frau“ dem Thema Alltagsrassismus in ihrem Buch „Weiße Tränen“ und ihren dazugehörigen Lesungen für Jugendliche nähert - ohne Betroffenen auf die Füße zu treten.
Susanne Brandt (Bibliotheken SH) stellte das von ihr entwickelte Projekt „Wörter, Holz und Steine“ vor, welches in Bibliotheken, Kitas und Grundschulen zur kreativen, sprachfördernden Arbeit eingesetzt wird.
Nane Pleger erläuterte an Beispielen aus der Kinder- und Jugendliteratur (KJL) der Wendezeit, wie wenig diese Zeit und deren KJL aufgearbeitet wurde. Sie widmet sich diesem Thema auch in ihrer anstehenden Promotion an der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig.
Gina Domeniconi ist Mitarbeiterin am Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM im Bereich Literale Förderung. Dort leitet sie verschiedene Projekte und Angebote im Bereich Mehrsprachigkeit. Im Rahmen von „Schenk mir eine Geschichte – Family Literacy“ bildet sie Menschen mit Migrationsgeschichte und unterschiedlichen Erstsprachen zu Leseanimator*innen aus. Sie zeigte Praxiseinblicke in die interkulturelle Leseanimation im Vorschulbereich. Ein sehr effizientes und niedrigschwelliges Programm, welches sehr gut von den Schweizer Bibliotheken angeboten bzw. unterstützt wird.
Dies ist nur eine Auswahl an Einblicken in den 4. Norddeutschen Leseförderkongress. Alle anderen Programmpunkte finden Sie hier:
https://buecherpiraten.de/de/norddeutscher-lesefoerderkongress-2025